Den Kindern zuliebe. Kinderintensivpfleger Mikalo
Geschrieben von Johannes Schleicher am 4. September 2017
Kategorie: Kinderintensivpflege
Sebastian Mikalo betreut seit einem guten halben Jahr einen jungen Mann, der im Wachkoma liegt. Wir haben ihn zu seiner Entscheidung, in der Kinderintensivpflege zu arbeiten, befragt – und zu seinen Erlebnissen mit seinem jungen Patienten.
Wie bist du in die Kinderintensivpflege gekommen?
Den Wunsch, in die Kinderintensivpflege zu wechseln, hatte ich schon länger. Denn im Alter von 12 Jahren habe ich Diabetes bekommen, und weiß deshalb, dass das recht schwierig sein kann. Der medizinische Teil, aber auch, dass man am Leben teilhaben kann und nicht gemobbt wird. Der soziale Aspekt kommt in der Pflege manchmal zu kurz.
Sofort nach der Ausbildung hab ich es mir nicht zugetraut, in der Kinderintensivpflege zu arbeiten. Deswegen hab ich erst einige Pflegestationen durch, Ambulanz, Heim, Tagespflege – um mehr Fachwissen zu sammeln. Denn die Kinderintensivpflege ist schon ein spezielles Gebiet der Pflege.
Zum Beispiel muss man mit den Menschen generell umgehen können, weil man ja nicht nur für den kleinen Patienten zuständig ist, sondern generell für die ganze Familie. Ich habe festgestellt, dass es im Alter eher normal ist, dass man Pflege braucht, aber im Kindesalter ist es das nicht und muss ganz anders verarbeitet werden.
Inwiefern brauchen Kinder eine andere Behandlung?
Mit Kindern muss man behutsamer umgehen, sie reagieren auch intensiver auf medizinische Pflege. Wenn jetzt ein älterer Mensch eine Spritze bekommt, stecken die das in der Regel weg.
Bei einem Kind ist das ganz anders. Da muss man vieles ein bisschen spielerisch verpacken. Ein erwachsener Mensch, der kommt damit klar. Ist nicht schön, aber muss halt. Und ein Kind, dem ist das viel schwieriger beizubringen, dass da jetzt zum Beispiel ein Eingriff vorgenommen wird, dass es beatmet wird. Ich kann mich an meine Zeit erinnern, wo man mir mit zwölf Jahren gesagt hat, ich darf nie wieder naschen, dafür gibts jetzt Spritzen, also das war schon, halleluja, eine harte Nummer.
Was begeistert dich an der Arbeit mit Kindern bzw. Jugendlichen?
Du kannst ihnen relativ viel geben. Wie gesagt, medizinisch helfen, das ist das eine. Aber sie am Leben teilhaben lassen: Kinder, die aktiv sind, zur Schule gehen, denen man den Lebensweg einfacher machen kann, was man da zurückbekommt, das ist eigentlich mit Geld gar nicht aufzuwiegen. Wenn die sich ein bisschen freuen und ein bisschen mehr integriert werden können.
Kannst du uns etwas über deinen Patienten sagen?
Moritz (den Namen haben wir geändert) ist dieses Jahr 18 geworden. Er liegt aufgrund eines schweren Autounfalls im Wachkoma. Ich bekomme also kein direktes Feedback von ihm. Ich wollte Moritz pflegen, weil ich erstens mit der Familie gut klar kam und komme. Und ich bin der Meinung, dass auch Moritz, obwohl er nicht reagiert und kein Feedback gibt, Eindrücke sammeln muss, bewegt werden und in die Welt hinausgeführt werden muss. Das Sammeln von Eindrücken ist wichtig für die Regeneration des Gehirns oder dafür, dass es sozusagen Ausweichwege um die betroffenen Areale herum findet. Damit es wacher werden oder am Ende ganz aufwachen kann.
Deshalb fahren wir mit der Familie im extra umgebauten Fahrzeug, also mit Laderampe etc., so oft es geht auch raus und lassen Moritz am gesellschaftlichen Leben teilhaben: Ob das nun bei McDonalds ist oder beim Spaziergang in Brandenburg an der Havel...
Wie schaffst du es, eine Beziehung zu deinem Patienten aufzubauen?
Wir gehen generell davon aus, dass er etwas mitbekommt. Deswegen versuchen wir, ihn aktiv zu halten. Wir fassen ihn an, also ganz viel geht über Körperkontakt. Und bei jeder Aktivität sagen wir ihm auch Bescheid, reden mit ihm. Ich persönlich verhalte mich eigentlich so, als ob er genauso aktiv ist wie ein Kind oder ein junger Mann, der nicht im Wachkoma liegt. Da gewöhnt man sich dran. Also ich zumindest.
Kannst du erkennen, wie es deinem Patienten geht?
Wie gesagt, ein direktes Feedback gibt er nicht. Allerdings wird sein Zustand ja von Geräten überwacht – also Puls und Sauerstoffsättigung – und man nimmt an, dass sein Puls hochgeht, wenn er Stimmen hört. Oder wenn die Eltern den Raum betreten. Aber wirklich wissen, wie es ihm geht, das ist nicht möglich.
Wie ist dein Verhältnis zu den Eltern?
Eigentlich gehört man fast zur Familie, weil man ja 12 Stunden, also praktisch den ganzen Tag, bei der Familie ist. Dabei bin ich erst seit November 2016 bei ihnen. Aber wir grillen zusammen, wir fahren zusammen weg, wir verstehen uns sehr gut – das ist ein sehr schöner Teil meiner Arbeit.
Wie unternehmt ihr eure Ausflüge?
Vor einem halben Jahr etwa wurde der Transporter behindertengerecht umgebaut. Davor sind die drei nur wirklich selten rausgekommen, es sei denn zu Arztbesuchen. Und als der Bus umgebaut war, konnte man tatsächlich einfach mal raus. Das erste Mal gings für uns vier zu Burger King und wir haben alle einen Burger gegessen. Danach waren wir sogar im Baumarkt. Und das weiß ich noch: Das war einfach nur schön, alle waren glücklich, man kann sich das kaum vorstellen. Aber so gehört sich das auch: Einfach mal raus! Am See waren wir mittlerweile auch schon.
Vielen Dank für das Gespräch, Sebastian. Wir wünschen dir, deinem Patienten und seiner Familie alles Gute auf eurem gemeinsamen Weg!