Digitalisierung in der Pflege
Geschrieben von Johannes Schleicher am 23. November 2018
Kategorie: Pflege
"Digitalisierung in der Pflege hat unglaubliches Potential", "Digitalisierung in der Pflege ist viel zu kompliziert, steckt erst in den Kinderschuhen und holt die Menschlichkeit aus der Pflege" – die Meinungen über dieses Thema sind gespalten. Dabei weiß man oft nicht: Was bedeutet denn Digitalisierung in der Pflege überhaupt konkret??
Digitalisierung in der Pflege – worum geht es da?
Welche Technologien der Digitalisierung kann man einsetzen? In welchen Bereichen gibt es Defizite und was muss passieren, damit man die sie einsetzen kann?
Im Forschungsbericht "Pflege 4.0" wurden 4 Fokustechnologien definiert, durch die Pflege digitalisiert werden kann. Das sind:
- Elektronische Dokumentation
- Diagnostik und Behandlung über Kommunikationstechnologien
- Technische Hilfen für den Pflegealltag
- Unterstützung von Pflegetätigkeiten durch Robotik
Elektronische Dokumentation
Dokumentation ist ein zwingend nötiger Aspekt der Pflegetätigkeit, verschlingt aber auch viel Zeit, die man dann nicht für die eigentliche Pflege nutzen kann.
Durch digitale Systeme versucht man nun, die für die Dokumentation benötigte Zeit zu minimieren. Das geschieht nicht nur dadurch, dass man die Formulare leichter ausfüllen und vieles voreinstellen und teilautomatisieren kann, sondern auch dadurch, dass man einfach weniger Zettelwirtschaft hat: Die Daten können jederzeit von jedem eingesehen werden, der sie gerade benötigt, sie können nicht mehr verloren gehen und werden direkt gefunden. Das macht die Einsicht sehr transparent und auch sehr einfach.
Der Übergang zur elektronischen Dokumentation kostet natürlich Zeit und Geld: Die Software muss gekauft werden, Pflegekräfte müssen dementsprechende Geräte erhalten und auch geschult werden.
Trotzdem bietet die elektronische Dokumentation so offensichtliche Vorteile, dass sie sich früher oder später überall durchsetzen wird.
Was hier vor allem benötigt wird, ist, dass Pflegekräfte mit in die Entwicklung der Software einbezogen werden, da die Entwickler nicht zwingend auf die Bedürfnisse der Pflegebranche sensibilisiert sind.
Kommunikationstechnologien für Diagnostik und Behandlung
Von "Telecare" spricht man, wenn Diagnostik, Beratung und auch Behandlung von der Ferne aus angeht, durch Dienste wie Skype, Facetime oder ähnliches. Gerade für Regionen, in denen Ärzte rar gesät sind, bzw. für Menschen, die nicht mehr sehr mobil sind, liegt der Vorteil auf der Hand: Es geht schneller und einfacher, seine Diagnose zu erhalten und zu erfahren, was man tun soll.
Genauso offensichtlich ist aber auch das Risiko: Viele Informationen können dadurch verloren gehen, dass kein persönlicher Kontakt mehr stattfindet. Es würde sich also empfehlen, die Telecare nur auf konkrete Fragen etc. zu beschränken, die ein Patient hat, und keine ganzheitliche Diagnose bzw. Handlungsempfehlung auf diesem Wege durchzuführen.
Technische Hilfen für den Pflegealltag
Was hier gemeint ist, sind technische Geräte, die Pflegekräften Routineabläufe abnehmen bzw. ihnen Kontrollgänge ersparen. Zum Beispiel kann man Sensormatten unter einer Matratze anbringen, die ein Signal sendet, wenn ein sturzgefährdeter Patient das Bett verlässt. Auch Geräte, die Patientinnen und Patienten an die Einnahme ihrer Medikamente erinnern, fallen unter diese Kategorie.
Das Problem an der Assistenz durch Technologie ist Pflege 4.0 zufolge, dass sie noch nicht wirklich auf den tatsächlichen Bedarf der Pflegebranche ausgerichtet ist.
Roboterunterstützte Pflege
Die Robotik ist auf jeden Fall die umstrittenste Art, Pflege zu digitalisieren. Erstens sind viele Roboter noch nicht ausreichend entwickelt, um in der Praxis tatsächlich ihren Dienst tun zu können. Zweitens spielt hier, je nach Anwendungsbereich des Roboters, die Entmenschlichung in der Pflege eine wichtige Rolle in der Kritik.
Allerdings spricht man nicht von Pflegerobotern, die die Pflege komplett alleine übernehmen, wenn man von Robotik spricht, auch wenn solche Roboter auch schon angedacht wurden.
Im Zentrum steht eher die physische Entlastung von Pflegekräften: Durch Hebehilfen oder etwa Exoskelette könnten pflegerische Prozesse, die Körperkraft erfordern, extrem erleichtert werden. Und das wäre natürlich eine große Entlastung für Pflegekräfte. Auch automatische Transportsysteme von Medikamenten, Essen, Wäsche etc. könnten in diversen Einrichtungen das Arbeitspensum senken.
Digitalisierung in der Pflege – was muss passieren?
Die generelle Kritik an Digitalisierung in der Pflege ist verständlich: Ein Systemwechsel ist immer mit Anstrengungen verbunden, für die Pflegekräften im Alltag oft schlicht die Zeit fehlt.
Man hat bereits jahrelang handschriftlich dokumentiert, der Wechsel zur elektronischen Dokumentation erfordert die Auseinandersetzung mit der Software.
Hilfsmittel zur technischen Assistenz müssen auch erst verstanden und bedient werden können, bevor man sie problemlos einsetzen kann.
Und gerade die Robotik erfordert ein ganz neues Maß an Kompetenzen, die man erlernen muss.
Außerdem sind viele digitale Maßnahmen noch nicht ausgereift genug, um eine tatsächliche Hilfe bieten zu können.
Und schlussendlich ist der Aspekt der Entmenschlichung auch nicht ganz von der Hand zu weisen: Beispielsweise erspart einem die oben genannte Sensorenmatte einige Kontrollgänge. Bei diesen Kontrollgängen geschieht aber auch zwischenmenschliche Interaktion, die dann unterbleibt, was für den pflegebedürftigen Menschen natürlich nicht von Vorteil ist.
Dadurch, dass man sich dieser Probleme jedoch bewusst ist, kann man auch entsprechend mit den neuen Technologien verfahren:
Hat man die elektronische Dokumentation einmal erlernt, spart sie enorm viel Zeit – durch Einführungskurse für Pflegekräfte sowie einen Supportdienst für etwaige Probleme kann der Übergang schnell und einfach vollzogen werden.
Technologien, die noch nicht ausgereift sind, müssen – am Besten gemeinsam mit Pflegekräften – weiterentwickelt werden, bis man sie gefahr- und problemlos einsetzen kann.
Der Entmenschlichung in der Pflege durch Digitalisierung kann man auch entgegenwirken, indem man die Zeit, die man durch die Technologien gewinnt, einsetzt, um sich intensiver mit den pflegebedürftigen Menschen auseinanderzusetzen.