ALS: Mit der Krankheit leben. Ein Interview mit Bruno Schmidt.
Geschrieben von Johannes Schleicher am 14. November 2016
Kategorie: Pflege
Nach seiner ALS-Diagnose hat Bruno Schmidt sich kurz entschlossen auf den Sattel geschwungen, ist durch Deutschland geradelt und hat sich mit anderen ALS-Betroffenen getroffen. Daraus ist der Film "ALS - Alle Lieben Schmidt" entstanden, der unter anderem auf dem KAI 2016 vorgeführt wurde.
Auf dem Kongress hat Bruno auch den Sonderpreis für Intensivpflege an den ALS-mobil e.V. vergeben. Außerdem engagiert er sich in seinem Verein ALS – Alle Lieben Schmidt e.V. für die Unterstützung von ALS-Kranken.
Bruno ist unglaublich aktiv, macht damit anderen Betroffenen Mut, klärt auf – und gibt ALS-Betroffenen eine Stimme, die auf die Krankheit aufmerksam macht. Wir haben ihm dazu einige Fragen stellen dürfen.
Wie gehts dir, Bruno?
Ich bin gerade in Reha und eigentlich gehts mir ganz gut. Öfter mal denkt man, dass einem die Übungen gut tun, und am nächsten Tag tut's weh. Das ist immer sehr schwer einzuschätzen.
Eigentlich bin ich immer euphorisch, auf der anderen Seite schreitet meine Krankheit auch voran. Gerade denkt man noch: Das kriegst du irgendwie hin. Aber jetzt muss ich mit Behindertenbesteck essen und das ist schon erschreckend. Oder ich muss mich morgens von den Schwestern hier waschen lassen, ich kann das nicht mehr selbst tun. Ich könnte das zwar machen, aber danach bin ich total kaputt. Und da muss man erst mal mit klarkommen.
Was machst du gerade?
Später spreche ich noch mit Angehörigen von Betroffenen. Da gehts dann um finanzielle Unterstützung, um seelische Unterstützung und was man alles machen kann. Dafür machen wir die ganze Sache ja. Damit wir den Leuten helfen können. Und mit "wir" meine ich den Verein "ALS - Alle Lieben Schmidt e.V."
Über was informierst du Betroffene?
Viele Betroffene wissen anfangs nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen, in die sie die Diagnose von einem Tag auf den anderen gebracht hat. Damit meine ich sowohl das Empfinden der Leute als auch ganz konkret die lebenstechnischen Umstände, die sich damit ergeben: Zum Beispiel ein Budget, das der Arzt bei einer schweren, chronischen Krankheit beantragen kann. Oft lässt man sich nur Physio oder Ergo verschreiben. Die Möglichkeiten, die man als Betroffener hat: Beistand, Hilfsmittel etc., das möchten wir den Leuten vermitteln.
Hast du ein Beispiel?
Ein Patient hat gerade ein behindertengerechtes Auto gekauft. Er sitzt seit anderthalb Jahren im Rollstuhl und hat das Auto voll finanziert, obwohl er Rentner ist. Dabei kann man in dieser Situation Stiftungen um Hilfe bitten. Eine Patientin in meinem Umfeld hat den Großteil des Geldes für ein Auto gesammelt, nur von Stiftungen.
Wie war das nach deiner Diagnose?
ALS ist eine seltene Krankheit und deshalb findet man nicht überall gleich Informationen, mit denen man sich zurechtfinden kann. Die Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit, wenn man die Diagnose bekommt, das ist schlimm. Deswegen ist auch die Arbeit der ALS-Vereine so wichtig. Sie geben Betroffenen einen Leitfaden an die Hand und bieten Unterstützung bei vielen Dingen.
Es ist ein ALS-Dachverband geplant – wie ist da der Stand?
Was den Verband angeht, da müssen jetzt überlegen, wie wir das gemeinsam vorantreiben. Also ob wir einen Verbund oder einen Verband formen. Ja, da gibt's einen Unterschied. Einen Verbund könnten wir bereits bilden, aber wir hätten dann juristisch keine Mittel, um Einfluss auf die Bundesregierung ausüben zu können. Aber ein Verband, also die größere Sache, das wäre viel mehr Arbeit und das war keinem bewusst – im Moment arbeitet ja jeder nur ehrenamtlich für seinen Verein. Wir treffen uns im Januar 2017 noch mal, um das weiter zu besprechen.
Was willst du ALS-Betroffenen sagen?
Ich glaube, es ist superwichtig, dass wir eine Interessengemeinschaft bilden und dass die Leute an der Front kämpfen für das, was uns zusteht. Außerdem empfehle ich, die Angebote der ALS-Vereine wahrzunehmen und sich darüber zu informieren, was alles möglich ist, und sich von dieser Seite Unterstützung zu holen.
Was willst du Pflegekräften sagen?
Wir haben "AlleLiebenSchmidt" auch für Pflegekräfte gedreht, damit sie einen Eindruck davon bekommen, wie es in ALS-Betroffenen aussieht.
Mir wurde von vielen Pflegekräften gesagt, dass sie dadurch wieder einmal erkannt hätten, was für eine schreckliche Krankheit ALS ist und dass es nicht nur die Krankheit ist, die man pflegt, sondern dass immer der Mensch dahinter steht.
Viele ALS-Patienten im fortgeschrittenen Stadium haben ja Gott sei Dank schon lange Pflegekräfte, die die Patienten wirklich gut kennen. Ich glaube, die verstehen sich auch blind. Da hab ich ein gutes Gefühl, dass das super funktioniert.
Vielen Dank, Bruno, für das Gespräch! Wir wünschen Dir und dem ALS – Alle Lieben Schmidt e.V. alles Gute und viel Erfolg bei euren Plänen!