
Sterbebegleitung bei einem ALS-Patienten
Geschrieben von Johannes Schleicher am 20. März 2019
Kategorie: Intensivpflege
Olaf Schubert ist examinierter Altenpfleger und arbeitet in unserer Außerklinischen Intensivpflege. Auf dem Kongress für Außerklinische Intensivpflege und Beatmung (KAI) hat er einen Vortrag über das Zurücksetzen eines ALS-Patienten in dessen ursprünglichen Krankheitszustand gehalten. Konkret heißt das, dass der Patient die Abstellung seiner Beatmung verfügt hat. Darüber haben wir noch einmal mit ihm gesprochen.
Warum arbeitest du in der Intensivpflege?
Ich habe vorher im Pflegeheim gearbeitet. Wenn man's ganz genau nimmt, sogar schon seit der Schulzeit. Ich habe in der Schule bei den jungen Sanitätern angefangen und im Rettungsdienst gearbeitet, habe an der Rettungsschule gearbeitet und dann eine Altenpflegeausbildung gemacht. Da die Arbeit im Heim aber sehr verdichtet war und man wirklich keine Zeit für die Patienten hatte, habe ich mich dann entschieden, in den Bereich ambulante Intensivpflege zu gehen.
Du hast einen Vortrag über einen ALS-Patienten gehalten, der darum gebeten hat, dass seine Beatmung eingestellt wird. Wie war das genau?
Mein Patient hat schon im Vorfeld gesagt, dass er, wenn ein bestimmter Zustand eintritt, die Geräte abgeschaltet haben möchte. Darüber haben wir mehrmals in der ALS-Sprechstunde mit der zuständigen Ärztin gesprochen.
Sie hat sich auch wirklich Zeit für ihn genommen und hat ihm alles erklärt. Als sich sein Zustand dann deutlich verschlechterte, hat er in einer dieser Sprechstunden gesagt, dass er doch bitte einen Termin für das Abschalten der Beatmung haben möchte: Der Zustand, den er für sich festgelegt hatte, sei erreicht.
Daraufhin mussten wir dann noch verschiedene Formalitäten klären, vor allem mit der Krankenkasse.
Wie war die Begleitung für dich?
Ich bin damit eher gut klargekommen. Es war nicht der erste Patient, bei dem ich eine Sterbebegleitung gemacht habe, auch wenn sie diesmal etwas anders verlaufen ist als sonst. In der Regel versterben die Menschen zuhause und es gibt auch keinen bürokratischen Aufwand, weil der Tod nicht vorhersehbar ist.
Außerdem war das eine Entscheidung meines Patienten, die ich auch so respektiert habe. Für mich stand fest: Wenn er es so wünscht, es ist sein freier Wille.

Wie war es dann in der Situation?
Es war sehr emotional. Wir hatten einen separaten Raum in der Charité, der extra für uns vorbereitet war. Es herrschte schon eine sehr starke Anspannung. Nachdem der Tod von einem Professor und einer Ärztin verkündet wurde, haben die Angehörigen Zeit gehabt, sich zu verabschieden. Ich selbst habe gleich nach den Ärzten das Zimmer verlassen und habe dann auch erst mal draußen auf dem Flur in Ruhe durchgeatmet und mich beruhigen müssen.
Natürlich ist diese Situation bei jedem Menschen anders, auch für uns Pflegekräfte. Nicht zuletzt, weil man unterschiedlich lange mit den Patienten zusammen ist.
Einen anderen Patienten hatte ich vier Jahre lang begleitet. Sein Versterben hat mich natürlich sehr stark aufgewühlt.
Was kannst du angehenden Pflegekräften raten, die sich mit einer solchen Situation konfrontiert sehen?
Man sollte sich zuerst damit auseinandersetzen, was der Tod für einen selbst bedeutet. Die Herangehensweise an den Tod kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt zum Beispiel Religionen, in denen gesagt wird, der Tod sei etwas Schönes, etwas Gutes. Bei mir ist es ähnlich: Ich sehe den Tod nicht als negativ an.
Wenn man sich mit dem eigenen Sterben auseinandergesetzt hat, kann man mit einer solchen Situation viel besser umgehen.
Aber Menschen, die in der Pflege arbeiten, kennen sich damit aus, wenn sie eine Ausbildung gemacht haben. Denn da wird auch viel über das Thema gesprochen und man setzt sich dann automatisch damit auseinander. Wenn man ohne Ausbildung in die Pflege kommt, kann man es sehr schwer haben. Man wird dann leicht mit Tatsachen konfrontiert, deren man sich davor überhaupt nicht bewusst war, und das ist dann hart.