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Das Wachkoma – 9 wichtige Fakten

Geschrieben von am 20. November 2020
Kategorie: Intensivpflege

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Das Wachkoma ist eine seltene neurologische Störung, die durch eine schwere Schädigung des Großhirns entsteht. Betroffene scheinen wach, zeigen jedoch kein Bewusstsein und können nicht mit ihrer Umwelt interagieren.
Obwohl das Syndrom relativ selten auftritt, ist es sehr bekannt, da solche und ähnliche Zustände die Vorstellung erwecken, gefangen im eigenen Körper zu sein, zwar bei vollem Bewusstsein zu sein, sich jedoch nicht mitteilen zu können.

1. Der Unterschied zwischen Wachkoma Locked-in-Syndrom

In gewissem Sinne verhält es sich mit dem Locked-in-Syndrom (LiS) umgekehrt wie mit dem Wachkoma. Menschen im LiS sind wachen Geistes, jedoch zumeist auf vertikale Augenbewegungen beschränkt, was körperliche Regungen angeht. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Kommunikation.

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Menschen im Wachkoma sind noch zu körperlichen Regungen fähig. Sie können nicht nur die Augen öffnen, sondern auch Gesichtsmuskeln bewegen, schlucken, würgen, husten und Laute machen. Allerdings sind sie nicht bei Bewusstsein, das heißt, sie reagieren nicht bewusst auf ihre Umwelt, auch wenn man durch die körperlichen Regungen leicht diesen Eindruck gewinnen kann.

Dieses Video zeigt den Wachkomapatienten Vincent während eines Anrufs seiner Mutter.

2. Wie „wach“ sind Wachkomapatienten noch?

Menschen im Wachkoma haben einen Schlaf-Wach-Rhythmus, sind also im biologischen Sinne des Wortes durchaus wach. Es fehlen allerdings sämtliche Hinweise auf eine bewusste Wahrnehmungsfähigkeit. Eine beiderseitige Verständigung ist nicht möglich. Auch reagieren Menschen im Wachkoma nicht „bewusst“ auf die Umwelt.

Das heißt allerdings nicht, dass sie überhaupt keine Reaktionen auf ihre Umwelt zeigen. Blutdruck, Pupillenweitungen etc. können Rückschlüsse darauf zulassen, dass Menschen im Wachkoma in gewissem Sinne registrieren, wenn etwa Angehörige sie besuchen oder sie gestreichelt werden etc.

3. Der Unterschied zum Koma

Der Unterschied zum Koma ist eben diese Art Wachsein – das Koma ist eine tiefe, länger andauernde Bewusstlosigkeit, bei der der Betroffene keinerlei körperliche Regungen zeigt. Es gleicht einem tiefen Schlaf, aus dem er nicht geweckt werden kann.

4. Kann man wieder aus dem Wachkoma erwachen?

Das kommt auf die Schwere der Hirnschädigungen an, die das Wachkoma ausgelöst haben, auf die „Tiefe“ des Komas, in dem sich der Betroffene befindet. Generell ist ein Erwachen eher selten und geschieht auch dann stufenweise – es ist also allgemein nicht so, dass jemand plötzlich aus dem Wachkoma kommt und wieder voll da ist.

Im Gegenteil ist dieses Erwachen, wenn es geschieht, oft ein jahrelanger Prozess, der durch verschiedenste Stimulationen und Therapien begleitet wird und selten voll abgeschlossen wird.

Dennoch kann man beobachten, wie Wachkomapatienten nach einer gewissen Weise wieder Blickkontakt suchen und ihre Bewegungen – wenn auch zunächst nur minimal – wieder koordinieren.

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5. Kann man mit Menschen im Wachkoma kommunizieren?

Wie oben bereits gesagt, sind Menschen im Wachkoma nicht zu Verständigungen mit der Umwelt in der Lage. Allerdings muss Kommunikation nicht unbedingt in den Bahnen des Bewusstseins verlaufen. So können Menschen im Wachkoma durchaus beispielsweise auf basale Stimulation reagieren und beispielsweise durch einen erhöhten Blutdruck zeigen, dass sie auf bestimmte Elemente ihrer Umwelt reagieren. Diese Reaktionen zu interpretieren ist jedoch selbstverständlich nicht unproblematisch.

6. Gefangen im eigenen Körper – 40% werden fehldiagnostiziert

Es gibt immer wieder Geschichten wie die des Belgiers Rom Houben, der zwei Jahrzehnte als Wachkomapatient angesehen wurde, obwohl er bei vollem Bewusstsein war und sich nur nicht mitteilen konnte.

In diesem Zusammenhang wird auch oft genannt, dass bis zu 40% der Wachkomapatienten fehldiagnostiziert sind, dass also Bewusstsein existiert, wo keins vermutet wird. Und diese Zahl stimmt auch, mit einer gewissen Einschränkung.

Bewusstsein ist nicht gleich Bewusstsein. Anzeichen für bewusste Reaktionen bedeuten nicht zwingend, dass auch komplexe Gedächtnistätigkeiten, tatsächliches Selbst-Bewusstsein oder Lernfähigkeit bestehen, so Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Frank Erbguth vom Klinikum Nürnberg.

Das heißt nicht, dass man diese Zahl der Fehldiagnosen unterschätzen sollte. Jedoch ist das, was man gemeinhin unter dem Bewusstsein versteht, nicht das, worauf sie abzielt.

7. Wachkoma, apallisches Syndrom und Minimally Conscious State – wo ist der Unterschied?

Wachkoma, Apallisches Syndrom & Syndrom reaktionsloser Wachheit

Der Begriff „Apallisches Syndrom“ war quasi der Ausgangsbegriff, den der deutsche Psychiater Ernst Kretschmer verwendet hat. „Pallium“ heißt Mantel und bezieht sich auf den Hirnmantel. „Apallisch“ bezeichnet praktisch einen Zustand ohne Hirnmantel.
Wachkoma ist der umgangssprachliche Begriff für dieses Syndrom.
„Syndrom reaktionsloser Wachheit“ ist der Begriff, der seit 2009 als wissenschaftlicher Ausdruck für das Wachkoma herrscht.

Minimally Conscious State

Mit „Minimally Conscious State“ ist der Zustand gemeint, der bereits im Punkt „Fehldiagnose“ angesprochen wurde. Die Unterscheidung zum Wachkoma fällt sehr schwer, vor allem, da der Übergang zwischen den Zuständen fließend ist. Der Minimally Conscious State (oder Syndrom des minimalen Bewusstseins) wird ebenfalls durch eine Hirnschädigung hervorgerufen, allerdings kann man hier basale Verhaltensmuster wie Fixierung mit dem Blick, das Befolgen einfacher Aufforderungen oder auch das Erkennen von Angehörigen beobachten kann.

8. Wie viele Menschen befinden sich in Deutschland im Wachkoma?

Da die Diagnose des Wachkomas schwierig ist und die Abgrenzung zu anderen Syndromen oft nur schwer möglich ist, findet man hier sehr unterschiedliche Zahlen.

Das Ärzteblatt gibt an, dass schätzungsweise 1500-5000 Menschen in Deutschland im Wachkoma liegen. Das Gesundheitszentrum Main-Spessart geht von mindestens 10.000 Betroffenen in Deutschland aus. Zehntausende sind es beim Spiegel, genauer 15.000-30.000.

Dabei sollen jährlich mindestens 1.000 neue Patienten hinzukommen.

9. Die 7 Phasen des Wachkomas

Das Wachkoma ist kein On-Off-Zustand, sondern, falls eine Besserung eintritt, eher ein Übergehen in verschiedene Phasen. Diese Phasen hat Prof. Dr. Dr. hc. Franz Gerstenbrand benannt. Es geht dabei aber nicht um einen klar vorgezeichneten Weg zur Besserung. Die Dauer der einzelnen Phasen kann unterschiedlich lang sein, manchmal wird auch eine übersprungen, oder der Patient verbleibt in einer Phase; wenn sich der Zustand überhaupt ändert.

  1. Phase: Koma
    Tiefe Bewusstlosigkeit
  2. Phase: Wachkoma
    Anzeichen für körperliche Wachheit, allerdings ohne Bewusstsein
  3. Phase: Primitiv-psychomotorische Phase
    Kurzes Halten von Blickkontakt, Normalisierung des Schlaf-Wach-Rhythmusses
  4. Phase: Phase des Nachgreifens
    Sicheres optisches Fixieren von Objekten, gezieltes Greifen, aber keine sprachliche Verständigung
  5. Phase: Klüver-Bucy Phase
    Bedingtes Sprachverständnis, differenzierte Gefühle, langsames Einsetzen von beherrschten Fähigkeiten
  6. Phase: Korsakow-Phase
    Aufbau der Sprache, Freies Laufen, Beginn freien Handelns, kein Einschätzen der eigenen Situation, noch Ausfälle im Kurz- und Mittelzeitgedächtnis
  7. Phase: Integrationsstadium
    Sinnvolles Handeln ist möglich, Auseinandersetzung mit der Umwelt, Planung des Tagesablaufs, meistens besteht Harn- und Stuhlkontinenz

Eine umfassendere Beschreibung der Phasen findet sich hier: https://www.schaedel-hirnpatienten.de/apallisches-syndrom.html

Die Pflege von Menschen im Wachkoma

Je nach Ausprägung des Wachkomas kann Intensivpflege vonnöten sein. Intensivpflege ist die Pflege von Menschen mit einem besonders hohen Aufwand an Pflege und einem komplexen Symptomgeschehen.

Wir haben uns auf die Pflege von Menschen mit Intensivpflegebedarf spezialisiert. Dabei geht es uns um die außerklinische Intensivpflege, also die Pflege zuhause oder in einer Intensivpflege-WG.

Hier finden Sie mehr Infos zu unserer Intensivpflege-WG in Brandenburg an der Havel.

Wir sorgen für einen reibungslosen Übergang von der Klinik in die Versorgung.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, für welchen Ort der Pflege Sie sich entscheiden sollen – eigene Häuslichkeit oder WG – helfen wir Ihnen gerne bei der Entscheidungsfindung.

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